Struktur im Wein: Das Skelett, das alles zusammenhält

Struktur im Wein: Das Skelett, das alles zusammenhält

Wenn Weinexperten über einen Wein sprechen, fallen oft Begriffe wie "kraftvoll", "straff" oder "gut gebaut". Sie beschreiben damit nicht den Geschmack von Kirsche oder Apfel, sondern etwas viel Fundamentaleres: die Struktur.

Die Struktur ist das unsichtbare Skelett eines Weins. Ohne sie wäre Wein nur eine formlose, süße oder saure Flüssigkeit. Erst die Struktur gibt dem Wein Halt, Form und – was am wichtigsten ist – ein langes Leben. Wir erklären, aus welchen Bausteinen dieses Skelett besteht und wie du es beim Verkosten erkennst.

Was ist Struktur? Eine Analogie

Stell dir einen Wein wie ein Gebäude vor:

  • Die Fruchtaromen sind die Dekoration, die Möbel und die Farbe an den Wänden. Sie sind das Erste, was man sieht (oder riecht).

  • Die Struktur ist das Fundament, die Stahlträger und die tragenden Wände. Man sieht sie nicht direkt, aber ohne sie würde das ganze Haus in sich zusammenbrechen.

Ein Wein mit "guter Struktur" fühlt sich im Mund architektonisch an. Er hat Ecken, Kanten und ein klares Profil. Ein Wein ohne Struktur wirkt dagegen "labberig", eindimensional oder einfach nur wässrig.

Die 4 Säulen der Wein-Struktur

Die Struktur eines Weins wird durch das Zusammenspiel von vier physikalischen Komponenten bestimmt. Ein Sommelier achtet bei der Selektion genau auf dieses Gleichgewicht.

1. Die Säure (Das Nervensystem)

Besonders bei Weißweinen ist die Säure das wichtigste Strukturelement. Sie verleiht dem Wein Frische, Spannung und Trinkfluss. Eine straffe Säure, oft geprägt durch kühle Böden wie Schiefer, wirkt wie ein Korsett, das die Frucht in Form hält.

2. Die Gerbstoffe / Tannine (Das Rückgrat)

Bei Rotweinen übernehmen die Tannine die Hauptarbeit. Sie erzeugen die Adstringenz und geben dem Wein seine haptische Textur. Reife, hochwertige Gerbstoffe sorgen für ein festes, aber samtiges Fundament.

3. Der Alkohol (Das Volumen)

Alkohol gibt dem Wein Gewicht, Wärme und Körper. Er fungiert als Träger für den Extrakt. Zu viel Alkohol ohne Gegenspieler lässt den Wein brandig wirken; in einer guten Struktur ist er jedoch die tragende Säule, die dem Wein Fülle verleiht.

4. Der Zucker / Extrakt (Das Fleisch)

Die Restsüße und der Trockenextrakt (Mineralien, Glyzerin) sind das "Fleisch" an den Knochen. Sie mildern die Härte von Säure und Tanninen ab und sorgen für ein weiches Mundgefühl.


Die Übersicht: Struktur-Komponenten im Check

Komponente Empfindung im Mund Funktion für den Wein
Säure Prickelnd, frisch, speichelflussanregend Fokus, Frische, Konservierung
Tannin Trocken, adstringierend, rau bis seidig Skelett bei Rotwein, Lagerfähigkeit
Alkohol Wärmend, ölig, schwer Volumen, Körper, Geschmacksträger
Zucker/Extrakt Viskos, weich, füllend Balance, Mundgefühl, Abgang

Struktur erleben: Best-Practice-Beispiele

Ein Wein mit exzellenter Struktur ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis meisterhafter Erzeugerabfüllung.

Warum ist Struktur so wichtig?

Ein strukturstarker Wein altert besser. Säure und Tannine schützen den Wein vor Oxidation. Mit der Zeit "verschmelzen" diese Komponenten (ein Prozess, den man beim Assemblage-Verfahren genau beobachtet). Ein Wein mit schwacher Struktur wird nach wenigen Jahren flach und langweilig, während ein strukturbetonter Wein an Komplexität gewinnt.

Zudem ist die Struktur entscheidend für das Food-Pairing. Ein kräftiges Steak braucht einen Wein mit starker Tanninstruktur (Adstringenz), um gegen die Proteine des Fleisches bestehen zu können. Inspirationen dazu findest du auf unserer Rezept-Seite.

Fazit: Achte auf den "Bauplan"

Wenn du das nächste Mal ein Glas Wein genießt, versuche, hinter die Frucht zu blicken. Spürst du die Säure an den Zungenseiten? Fühlst du das feine Gerüst der Tannine? Diese Architektur ist es, die einen großen Wein ausmacht.

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