Was ist Extrakt? Die verborgene Seele des Weins

Was ist Extrakt? Die verborgene Seele des Weins

Wenn Weinkenner über einen Wein sprechen, fallen oft Begriffe wie Frucht, Säure und Gerbstoffe. Doch es gibt eine unsichtbare Komponente, die all diese Elemente zusammenhält und einem Wein seine wahre Tiefe, Dichte und seinen Charakter verleiht: der Extrakt.

Ein Wein mit "hohem Extrakt" ist fast immer ein Wein von hoher Qualität. Aber was ist das genau? Und kann man Extrakt schmecken? Wir erklären, was sich hinter diesem entscheidenden Begriff verbirgt.

 

Was ist Extrakt im Wein?

 

Stell dir vor, du nimmst ein Glas Wein und lässt es so lange stehen, bis das gesamte Wasser und der gesamte Alkohol verdunstet sind. Was am Boden des Glases als eine Art "Trockenmasse" zurückbleibt, ist der Extrakt (genauer gesagt: der Trockenextrakt).

Wein besteht zu 95-98% aus Wasser und Alkohol. Der Extrakt macht nur einen winzigen Teil aus, aber dieser Teil ist die "Substanz" des Weins. Er ist die Summe aller nicht-flüchtigen Stoffe, die aus der Traube und dem Ausbau stammen.

Dazu gehören:

  • Gerbstoffe (Tannine): Vor allem bei Rotwein, geben Struktur.

  • Farbstoffe (Phenole): Geben dem Wein seine Farbe.

  • Mineralien: Der direkte Gruß des Bodens (Terroir), der zu mineralischen Noten beitragen kann.

  • Nicht-flüchtige Säuren: (z.B. Weinsäure).

  • Glyzerin: Ein Zuckeralkohol, der für ein weiches, rundes Mundgefühl sorgt.

  • Vitamine und Spurenelemente.

(Hinweis: Der Zuckergehalt (Restsüße) wird für den "zuckerfreien Extrakt" herausgerechnet, um die wahre Substanz des Weins beurteilen zu können.)

 

Wie schmeckt man Extrakt? Als Mundgefühl!

 

Extrakt selbst hat keinen Eigengeschmack. Man schmeckt nicht "Extrakt" wie man "Kirsche" schmeckt. Stattdessen fühlt man den Extrakt.

Extrakt ist der Hauptfaktor für den Körper eines Weins.

  • Ein Wein mit wenig Extrakt (oft aus Massenproduktion) wirkt dünn, wässrig und kurz im Abgang.

  • Ein Wein mit hohem Extrakt wirkt dicht, satt, viskos und körperreich. Er hat eine spürbare Textur und einen langen Nachhall (Abgang), weil die Aromen an die Extraktstoffe gebunden sind.

Ein hoher Extraktgehalt ist oft ein Zeichen dafür, dass ein Wein ein großes Lagerpotenzial besitzt.

 

Wie kommt der Extrakt in den Wein?

 

Der Extraktgehalt ist ein direkter Spiegel der Qualität im Weinberg. Ihn zu maximieren, ist das Ziel jedes ambitionierten Winzers.

  1. Niedrige Erträge (Qualität statt Quantität): Dies ist der wichtigste Hebel. Wenn eine Rebe nur wenige Trauben tragen muss, kann sie ihre gesamte Energie in diese wenigen Früchte konzentrieren. Das ist der ganze Zweck der Grünlese, bei der Trauben geopfert werden, um den Extrakt in den verbleibenden zu steigern.

  2. Karge Böden (Terroir): Reben auf kargen Böden (wie Schiefer an der Mosel oder Muschelkalk in Franken) müssen tief wurzeln, um an Wasser und Nährstoffe zu kommen. Diese "Stresssituation" führt zu kleineren Beeren mit einer dickeren Schale und einem höheren Extraktgehalt.

  3. Volle Reife: Ein Winzer wartet auf die "physiologische Reife". Das bedeutet nicht nur, dass der Zuckergehalt (Oechsle) stimmt, sondern dass auch die Schalen, Kerne und Aromen voll ausgereift sind.

Diese Philosophie der "Qualität wächst im Weinberg" wird von all unseren Partnern gelebt. Ob das Weingut Adelseck an der Nahe, das Weingut Goswin Kranz mit seinen niedrigen Erträgen an der Mosel oder Markus Meier in Franken mit seinem Umstieg auf BIOLAND – sie alle arbeiten für Weine mit Substanz und Extrakt.

 

Extrakt im Glas

 

Wenn du das nächste Mal einen Wein wie den 2016 Mainstockheimer Hofstück Silvaner Spätlese probierst, achte auf das Gefühl. Dieser Wein ist eine Spätlese aus vollreifen Trauben, er ist reinsortig und vom Weingut Dr. Heigel meisterhaft ausgebaut. Seine "weiche, elegante" Art am Gaumen und sein Trinkfluss sind ein direktes Ergebnis eines perfekten Gleichgewichts von Extrakt, Säure und Frucht.

 

Fazit: Das Fundament der Qualität

 

Extrakt ist das Fundament, auf dem große Weine gebaut sind. Er ist der unsichtbare Träger von Geschmack, Struktur und Langlebigkeit.

Wenn ein Wein als "substanziell", "dicht" oder "körperreich" beschrieben wird, ist das ein direktes Kompliment an seinen hohen Extraktgehalt – und an die kompromisslose Arbeit des Winzers im Weinberg.

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