Körperreicher Wein: Was bedeutet "Körper" im Glas?

Körperreicher Wein: Was bedeutet "Körper" im Glas?

In Weinbeschreibungen stößt man ständig auf dieses Trio: leichte Weine, Weine mit mittlerem Körper und körperreiche Weine. Aber was genau ist dieser "Körper"? Schmeckt man ihn? Fühlt man ihn? Und ist körperreicher automatisch besser?

Um das Konzept zu verstehen, hilft eine einfache Analogie: Denke an den Unterschied zwischen Magermilch, Vollmilch und Sahne. Alle sind "Milch", aber sie fühlen sich im Mund völlig unterschiedlich an. Magermilch ist leicht und wässrig, Sahne ist schwer, dicht und viskos.

Genau dieses Gefühl von Gewicht, Dichte und Viskosität im Mund beschreibt der Körper eines Weins.

 

Was ist ein "körperreicher" Wein?

 

Ein Wein wird als körperreich (oder vollmundig) bezeichnet, wenn er sich im Mund schwer, satt und texturiert anfühlt. Er hat eine spürbare Viskosität – man sieht es oft schon, wenn der Wein im Glas "Schlieren" oder "Kirchenfenster" bildet.

  • Leichte Weine (z.B. viele Kabinett-Rieslinge von der Mosel) sind das Gegenteil: Sie sind spritzig, filigran und tanzen auf der Zunge.

  • Körperreiche Weine (z.B. ein im Barrique gereifter Rotwein oder ein hochreifer Weißwein) füllen den Mund satt aus.

 

Was macht einen Wein körperreich? Die 4 Hauptfaktoren

 

Der Körper eines Weins ist kein Zufall, sondern das direkte Ergebnis von vier Schlüsselelementen:

 

1. Alkohol (Der Hauptmotor)

 

Alkohol (Ethanol) ist der wichtigste Faktor. Alkohol ist viskoser (dickflüssiger) als Wasser. Je höher der Alkoholgehalt, desto schwerer und voller fühlt sich der Wein im Mund an.

Woher kommt der Alkohol? Aus dem Zucker der Traube.

  • Trauben, die sehr reif geerntet werden, haben ein hohes Mostgewicht (gemessen in Oechsle).

  • Wenn dieser Zucker komplett vergoren wird (also ein trockener Wein entsteht), ist der Alkoholgehalt hoch.

  • Ein Prädikatswein wie eine trockene Spätlese wird daher fast immer körperreicher sein als ein leichter Qualitätswein.

 

2. Extrakt (Die Substanz)

 

Extrakt ist alles im Wein, was nicht Wasser oder Alkohol ist. Dazu gehören Gerbstoffe (Tannine), Mineralien, Säuren und Phenole. Je mehr "Trockenmasse" im Wein gelöst ist, desto dichter und körperreicher wirkt er. Weine von alten Reben oder kargen Böden (Terroir) haben oft einen höheren Extrakt.

 

3. Zucker (Die Restsüße)

 

Auch unvergorener Zucker (Restsüße) trägt zur Viskosität bei. Ein feinherber oder lieblicher Wein wird sich daher oft voller anfühlen als ein knochentrockener Wein bei gleichem Alkoholgehalt.

 

4. Ausbau (Die Handschrift des Winzers)

 

Die Kellertechnik hat einen enormen Einfluss:

  • Oxidativer Ausbau im Holzfass (Barrique): Der Wein wird durch den Kontakt mit dem Holz und den minimalen Sauerstoffaustausch dichter und strukturierter. Die Winzer vom Weingut Goswin Kranz nutzen dies gezielt für ihre gehaltvollen Rotweine, die in Holzfässern und Barriques reifen.

  • Langes Hefelager (Sur Lie): Wenn der Wein lange auf der Hefe liegt, lösen sich Stoffe, die dem Wein eine cremige, "fette" Textur verleihen – er gewinnt an Körper.

  • Reduktiver Ausbau im Stahltank: Dient oft dem Gegenteil. Hier soll die Frische und Leichtigkeit bewahrt werden (typisch für spritzige Rosés oder einen Gelben Muskateller).

 

Beispiele für körperreiche Weine

 

Körperreicher Weißwein:

Sucht nach Weinen aus reifen Trauben (Spätlese) oder Weinen, die ihre Textur betonen. Ein hervorragendes Beispiel ist der 2024 MAINSTOCKHEIMER HOFSTÜCK Weißburgunder vom Weingut Dr. Heigel. Er wird als "weich und rund" beschrieben – klassische Indikatoren für einen schönen, mittleren bis vollen Körper, der ihn zu einem vielseitigen Speisebegleiter macht. Auch der gereifte 2016 Silvaner Spätlese ist durch seine Spätlese-Qualität ein Wein mit Substanz und Körper.

Körperreicher Rotwein:

Das klassische Beispiel. Spätburgunder (Pinot Noir) oder Merlot, die im Holzfass ausgebaut wurden, entwickeln durch die Reifung und die Tannine einen kräftigen Körper.

 

Ist körperreich besser als leicht?

 

Auf keinen Fall! Es ist eine Frage des Stils und des Anlasses.

Ein leichter, mineralischer, säurebetonter Mosel-Riesling vom Weingut K-J Thul ist weltklasse, gerade weil er so filigran und leicht ist. Er ist der perfekte Terrassenwein oder Begleiter zu feinen Fischgerichten.

Ein körperreicher Wein ist ideal für kältere Tage, für kräftige Speisen (Braten, Schmorgerichte, reifer Käse) oder einfach als "Kaminwein" zum langsamen Genießen.

 

Fazit

 

Der Körper ist eine der wichtigsten Dimensionen beim Weinverkosten. Er ist das "Mundgefühl", das ein Wein hinterlässt. Ob du die tänzelnde Leichtigkeit eines Kabinetts oder die satte Schwere eines im Barrique gereiften Weins bevorzugst, ist reine Geschmackssache. Achte beim nächsten Schluck einfach mal darauf, wie "schwer" der Wein auf deiner Zunge liegt.

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