Weinstein im Wein: Mehr als nur Kristalle – Ein Zeichen von Qualität?

Weinstein im Wein: Mehr als nur Kristalle – Ein Zeichen von Qualität?

Stell dir vor, du neigst einen köstlichen Tropfen Weißwein ins Glas oder kommst am Ende einer Flasche Rotwein an und bemerkst sie: kleine, funkelnde Kristalle am Boden des Glases oder am Korken. Der erste Gedanke? Vielleicht Glassplitter? Zucker? Ist der Wein schlecht?

Wir können dich beruhigen: Was du da siehst, ist mit größter Wahrscheinlichkeit Weinstein – und er ist völlig harmlos. Mehr noch, er kann sogar ein Indiz für einen besonders hochwertigen und schonend behandelten Wein sein.

In diesem Beitrag klären wir alle Mythen rund um den Weinstein auf: Was er genau ist, wie er entsteht und was du tun kannst, wenn du ihn in deiner Flasche findest.

 

Was ist Weinstein genau?

 

Chemisch gesehen ist Weinstein das Salz der Weinsäure, genauer gesagt Kaliumbitartrat (oder bei Weißweinen manchmal auch Calciumtartrat). Die Weinsäure ist eine der wichtigsten und natürlich vorkommenden Säuren in der Weinbeere.

Diese Kristalle sind:

  • Geschmacksneutral: Sie beeinflussen den Geschmack des Weines nicht.

  • Völlig unbedenklich: Sie sind gesundheitlich absolut harmlos.

  • Natürlich: Sie sind ein natürlicher Bestandteil des Weins.

Weinliebhaber und Winzer nennen sie oft auch liebevoll "Weindiamanten", weil sie im Licht so schön funkeln können.

 

Wie und warum entsteht Weinstein?

 

Weinstein bildet sich, wenn die natürliche Weinsäure im Wein mit Mineralstoffen, hauptsächlich Kalium und Kalzium, reagiert. Diese Stoffe sind bereits im Most enthalten und gelangen von der Rebe direkt in den Wein.

Zwei Hauptfaktoren begünstigen die Entstehung der Kristalle:

  1. Niedrige Temperaturen: Der häufigste Auslöser. Wenn Wein stark abkühlt (z. B. bei der Lagerung im Kühlschrank oder während eines kalten Transports), löst sich die Weinsäure schlechter im Wein. Sie "fällt aus" und verbindet sich mit den Mineralstoffen zu sichtbaren Kristallen.

  2. Lange Reifezeit: Während der Flaschenreifung können sich die Moleküle über Monate oder Jahre hinweg langsam zu größeren Kristallen zusammenfügen.

 

Ist Weinstein ein Weinfehler?

 

Ganz klar: Nein. Weinstein ist kein Weinfehler wie Korkgeschmack, Oxidation oder eine unerwünschte Nachgärung. Es ist ein natürlicher Ausscheidungsprozess, der die Qualität des Weines in keiner Weise mindert.

Im Gegenteil: Das Vorhandensein von Weinstein kann darauf hindeuten, dass ein Wein:

  • Reich an Mineralstoffen ist: Oft ein Zeichen für Trauben aus guten Lagen.

  • Nicht übermäßig behandelt wurde: Viele Winzer verzichten bewusst auf eine intensive "Schönung" des Weins, um seinen Charakter zu erhalten. Dieser Fokus auf naturnahen Anbau, wie ihn beispielsweise das Weingut Markus Meier mit seiner Umstellung auf biologischen Landbau verfolgt, führt oft zu charakterstärkeren Weinen, bei denen solche natürlichen Ausscheidungen eher in Kauf genommen werden.

 

Der Unterschied: Weinstein vs. Depot

 

Weinstein wird manchmal mit dem Depot verwechselt, aber es handelt sich um zwei verschiedene Dinge.

  • Weinstein: Helle oder (bei Rotwein) rötlich gefärbte Kristalle (Salze der Weinsäure).

  • Depot: Findet sich fast ausschließlich in älteren Rotweinen. Es ist ein feiner, dunkler Bodensatz, der aus polymerisierten (verketteten) Farb- und Gerbstoffen (Tanninen) besteht.

Beide – Weinstein und Depot – sind harmlos und ein Zeichen für einen lebendigen, sich entwickelnden Wein. Beide lassen sich durch sorgfältiges Einschenken oder Dekantieren leicht vom Wein trennen.

 

Wie Winzer Weinstein (manchmal) verhindern

 

Da viele Konsumenten die Kristalle fälschlicherweise als Mangel ansehen, unterziehen viele Großkellereien ihre Weine einer sogenannten Kältestabilisierung.

Dabei wird der Wein vor der Abfüllung für mehrere Tage stark heruntergekühlt (manchmal bis nahe an den Gefrierpunkt). Der Weinstein fällt dadurch bereits im Stahltank aus und kann herausgefiltert werden. Das Ergebnis ist ein Wein, der auch im Kühlschrank des Kunden keine Kristalle mehr bilden wird.

Viele Spitzenwinzer, wie unsere Partner vom Weingut Adelseck an der Nahe oder dem Lubentiushof an der Mosel, die für ihre kompromisslose Qualität bekannt sind, verzichten jedoch bewusst auf diesen Schritt. Sie argumentieren, dass eine solch drastische Behandlung dem Wein auch wichtige Aroma- und Strukturstoffe entziehen kann. Sie nehmen den natürlichen Weinstein lieber in Kauf, um die Authentizität und das volle Potenzial des Weins zu bewahren.

 

Was tun, wenn Weinstein im Wein ist?

 

Du hast eine Flasche geöffnet und siehst Kristalle am Boden? Keine Panik. Hier sind die besten Methoden, um den Wein ungetrübt zu genießen:

  1. Stell die Flasche aufrecht: Lass die Flasche vor dem Öffnen einige Zeit (bei älteren Weinen wie dem 2016 Mainstockheimer Hofstück Silvaner Spätlese auch Stunden) ruhig stehen, damit sich der Weinstein (oder das Depot) komplett am Boden absetzen kann.

  2. Schenke vorsichtig ein: Gieße den Wein langsam und gleichmäßig ins Glas. Stoppe, bevor der Bodensatz mit den Kristallen in den Flaschenhals rutscht. Der kleine Rest Wein, der in der Flasche bleibt, ist der "Preis" für einen klaren Genuss.

  3. Dekantiere den Wein: Die eleganteste Methode. Gieße den Wein langsam aus der Flasche in eine Karaffe oder einen Dekanter. Halte dabei eine Lichtquelle (z. B. eine Kerze oder die Lampe deines Handys) unter den Flaschenhals. Sobald du siehst, dass sich die ersten Kristalle oder das Depot dem Flaschenhals nähern, stoppst du das Umgießen.

 

Fazit: Ein Hoch auf die Weindiamanten!

 

Weinstein ist kein Grund zur Reklamation, sondern ein faszinierender, natürlicher Teil eines großartigen Produkts. Er ist der harmlose Beweis, dass dein Wein lebt und aus echten Trauben mit all ihren wertvollen Inhaltsstoffen stammt.

Lass dich also von ein paar Kristallen nicht verunsichern. Betrachte sie als das, was sie sind: Weindiamanten, die von einer schonenden Vinifikation und einer lebendigen Mineralität zeugen.

Tillbaka till blogg