Gerbstoffe (Tannine): Das pelzige Gefühl, das großen Wein ausmacht
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Du kennst das Gefühl: Du nimmst einen kräftigen Schluck eines jungen Rotweins und sofort zieht sich alles im Mund zusammen. Es fühlt sich trocken, rau und "pelzig" an. Verantwortlich für diesen Effekt ist einer der wichtigsten Bestandteile von Wein: die Gerbstoffe, international besser bekannt als Tannine.
Während dieses Gefühl bei einem jungen Wein intensiv sein kann, sind Tannine kein Fehler. Im Gegenteil: Sie sind das Rückgrat, die Seele und der natürliche Konservierungsstoff, der große Weine jahrzehntelang reifen lässt.
Wir erklären, was Gerbstoffe genau sind, woher sie kommen und wie sie den Charakter eines Weins prägen.
Was sind Gerbstoffe (Tannine)?
Gerbstoffe sind natürliche chemische Verbindungen (sogenannte Polyphenole), die in vielen Pflanzen vorkommen. Du findest sie nicht nur im Wein, sondern auch in schwarzem Tee (wenn er zu lange zieht), in Walnüssen, in dunkler Schokolade oder in der Haut von unreifen Früchten.
Ihren Namen verdanken sie ihrer ursprünglichen Funktion: Sie wurden zum "Gerben" von Tierhäuten zu Leder verwendet.
Im Wein ist ihre Funktion eine andere. Das adstringierende (zusammenziehende) Gefühl entsteht, weil die Tannin-Moleküle sich an die Proteine in unserem Speichel binden. Dadurch verschwindet der natürliche "Schmierfilm" im Mund, und wir empfinden dieses typische trockene, raue Gefühl.
Woher kommen die Tannine im Wein?
Ein Wein bezieht seine Gerbstoffe hauptsächlich aus drei Quellen:
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Aus den Traubenschalen: Dies ist die wichtigste Quelle für Tannine im Rotwein. Während der Gärung (der Maischegärung) bleiben die Schalen im Saft (Most). In dieser Zeit lösen sich nicht nur die Farbstoffe, sondern auch die Tannine aus den Schalen und gehen in den Wein über. Je länger dieser Kontakt, desto tanninreicher der Wein.
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Aus den Traubenkernen: Auch die kleinen Kerne enthalten Tannine, die oft als "grüner" oder "härter" empfunden werden. Ein guter Winzer achtet darauf, die Kerne beim Pressen nicht zu zerquetschen, um diese aggressiveren Gerbstoffe zu vermeiden.
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Aus dem Holzfass (Barrique): Wenn ein Wein im Eichenfass reift, gibt das Holz selbst Tannine an den Wein ab. Dies ist ein wichtiger Teil des oxidativen Ausbaus. Diese "Holztannine" sind oft feiner und verleihen dem Wein zusätzliche Noten von Vanille, Gewürzen oder Rauch.
Einige unserer Winzer sind Meister im Umgang mit dem Holzausbau. Das Weingut Goswin Kranz von der Mosel nutzt beispielsweise gezielt Holzfässer und Barriques, um seinen gehaltvollen Rotweinen Struktur und Komplexität zu verleihen.
Haben Weißweine auch Gerbstoffe?
In der Regel haben Weißweine nur sehr wenige Gerbstoffe. Der Grund liegt in der Herstellung: Der helle Most wird fast immer vor der Gärung von den Schalen abgepresst. Ohne den Schalenkontakt gelangen fast keine Tannine in den Wein. (Eine Ausnahme bilden "Orange Wines", die wie Rotweine auf der Maische vergoren werden).
Auch Roséweine, wie der 2024 Spätburgunder Rosé trocken vom Weingut Dr. Heigel, haben nur einen kurzen Schalenkontakt (wenige Stunden) und daher nur einen Hauch von Tannin, was ihre Frische unterstützt.
Der Unterschied: Reife vs. Grüne Tannine
Tannin ist nicht gleich Tannin. Die Qualität der Gerbstoffe ist einer der größten Unterschiede zwischen einem einfachen Wein und einem Spitzenwein.
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Grüne (unreife) Tannine: Stammen von Trauben, die nicht voll ausgereift sind. Sie schmecken aggressiv, bitter und kratzig. Um dies zu verhindern, investieren Top-Winzer extrem viel Arbeit in den Weinberg, zum Beispiel durch Grünlese, um eine perfekte Reife zu garantieren.
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Reife (mürbe) Tannine: Stammen von perfekt gereiften Trauben, die lange Sonne tanken konnten. Diese Tannine sind ein Zeichen für ein großes Terroir und die Philosophie von Winzern wie Adelseck oder Markus Meier. Sie fühlen sich im Mund "feinkörnig", "samtig" oder "seidig" an und tragen zu einem körperreichen Mundgefühl bei, ohne unangenehm zu sein.
Die Funktion: Rückgrat und Konservierungsmittel
Gerbstoffe haben zwei entscheidende Aufgaben im Wein:
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Struktur: Sie bilden das "Skelett" des Weins. Sie geben ihm Form, Biss und einen körperreichen Eindruck. Ein Rotwein ohne Tannine würde flach und "marmeladig" schmecken.
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Langlebigkeit: Tannine sind ein starkes, natürliches Antioxidationsmittel. Sie schützen den Wein vor der Zersetzung durch Sauerstoff und ermöglichen es ihm, über Jahre und Jahrzehnte zu reifen.
Während der Flaschenreifung verändern sich die Tannine. Sie polymerisieren, das heißt, die kleinen Moleküle ketten sich zu größeren zusammen. Diese werden als weicher empfunden und fallen irgendwann als "Depot" (Bodensatz) aus. Deshalb schmeckt ein 10 Jahre alter Rotwein viel weicher und runder als in seiner Jugend.
Fazit: Keine Angst vor Tannin!
Gerbstoffe sind kein Fehler, sondern ein wesentliches Qualitätsmerkmal, das einen Wein spannend, strukturiert und langlebig macht. Das trockene Gefühl im Mund ist ein Zeichen dafür, dass du einen ernsthaften Wein im Glas hast, der oft ein hervorragender Begleiter zu kräftigen Speisen (wie Gegrilltem oder Käse) ist, da die Tannine sich an die Fette und Proteine im Essen binden.
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